Estland: eine kurze Vorstellung

Quelle: Jaanus Siim

Estland: eine kurze Vorstellung

Estland ist Teil des Baltikums – der nördlichste der drei baltischen Staaten – und hat kulturell doch mehr mit Skandinavien gemeinsam als mit ihnen. Nicht nur tatsächlich historisch, sondern auch dem Selbstverständnis nach, denn Estland begreift sich als nordeuropäisches Land. Im Folgenden stellen wir dieses Land mit seiner überwältigenden Natur, seiner spannenden Kultur, die von verschiedensten Einflüssen lebt, seiner exzellenten Küche und nicht zuletzt: seinen selbstbewussten und gastfreundlichen Bewohnern in einigen wesentlichen Punkten vor.


Estland liegt am Knotenpunkt von Skandinavien, Mitteleuropa und den östlichen Staaten Europas

Foto: Toomas Volmer, Tallinn City Tourist Office & Convention Bureau

Alle Wege in Europa führen nach Estland – sei es mit dem Flugzeug, Schiff oder Ihrem eigenen Fahrzeug. Als Ostseeanrainer ist Estland nur eine kurze Fahrt mit der Fähre von Finnland oder Schweden entfernt, und zu europäischen Hauptstädten wie Warschau oder Berlin gibt es eine Busverbindung, oder aber Sie nehmen den Nachtzug von Sankt Petersburg, direkt mitten ins Herz Tallinns!

Sowohl geschichtlich als auch kulturell und geografisch ist Estland mehreren ganz unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt:

  • Skandinavien – durch unmittelbare Nähe, direkten Austausch, die finno-ugrische Sprache und größte Sympathie
  • West-Europa und insbesondere Deutschland – durch die gemeinsame Geschichte der Hanse und die Deutsch-Balten
  • Russland – durch unmittelbare Nähe, direkten Austausch und die nicht eben in guter Erinnerung gebliebene Sowjetzeit

Estland ist ein Hybrid aus diesen drei Einflüssen – darüber hinaus aber auch ein überraschend eigenständiges Land, das zu erkunden wahnsinnig spannend und lohnend ist.



Die estnische Hauptstadt Tallinn ist die am besten erhaltene mittelalterliche Stadt in Nordeuropa

Foto: Erik Peinar, Visit Estonia

Tallinn hat die Stadtrechte im 13. Jahrhundert durch den dänischen König erhalten und gehört heute zum Kulturerbe der UNESCO. Seit seiner Gründung haben sich verschiedene Weltmächte fast schon „die Klinke in die Hand gegeben" – von Dänen über Schweden bis zu den Deutschen sowie dem zaristischen und sowjetischen Russland. Die Altstadt Tallinns mit ihren vielen Häusern aus dem Mittelalter und ihren Alleen wird noch immer durch die Reste der Stadtmauer geschützt. Tauchen Sie ein in die Legenden und Geschichten der üppigen Architektur Tallinns!

Aber auch über die pittoreske Altstadt hinaus ist Tallinn höchst attraktiv – und jung! Der Szenebezirk Kalamaja mit der Kreativstadt Telliskivi und seinem neuen und angesagten Stadtteil Noblessner versprüht internationales Flair und pulsierende Lebenslust.


Esten sprechen Estnisch, aber auch Englisch, Russisch, Finnisch und Deutsch

Foto: Nieminen, Visit Estonia

Esten sprechen in der Regel mindestens zwei Sprachen und jüngeren Studien zufolge gehören Sie zu den Europäern mit den besten Englischkenntnissen. Viele Gäste tendieren sogar zu der Meinung, dass die Esten Elbisch sprechen. Die magisch klingende Sprache ist allerdings das Estnische, das zum finno-ugrischen Zweig der europäischen Sprachen zählt.

Estnisch gilt als schwer zu lernen – und die Esten wissen das ganz genau. Deshalb sind sie so gut wie alle mehrsprachig, um sich in der Welt und mit ihren internationalen Gästen verständigen zu können. Denn natürlich erwartet man im Land nicht, dass Besucher Estnisch sprechen; das tun übrigens nur rund 1 Million Menschen weltweit.

Wenn man den Esten jedoch eine große Freude machen will, dann lernt man als Gast vor dem Besuch des Landes drei, vier Worte Estnisch!


Etwa die Hälfte des Landes ist bewaldet

Foto: Sven Zacek, Visit Estonia

... und die Esten lieben ihre Wälder, die mystischen Moore und all die Geschöpfe, die dort leben, wie Luchse, Braunbären, Wölfe, Füchse, Hasen und das Wild. Es ist schon richtig zu sagen, dass Esten echte Naturliebhaber sind. Und die Natur in Estland ist abwechslungsreich und tatsächlich überwältigend schön.

Esten sind nicht besonders religiös im kirchlichen Sinn, haben aber eine enge Verbindung zur Natur, die von vielen Mythen, Legenden und alter Volksweisheit begleitet wird und in der Bevölkerung sehr lebendig ist. Eine Umfrage der Zeitung EUobserver ergab zum Beispiel, dass 69 % der Esten glauben, dass Bäume eine Seele haben. Alle Bäume. Aber es gibt auch einige besondere Exemplare im Land, die Sie bei Ihrem nächsten Aufenthalt besuchen und entdecken können:

  • die höchste Kiefer der Welt, mehr als 200 Jahre alt und 46,6 Meter hoch, in der Gemeinde Veriora im Kreis Põlva
  • die größte Linde Estlands, die 600 Jahre alte Sipa-Opferlinde in Rapla, der magische Kräfte im Zusammenhang mit der Liebe zugeschrieben werden
  • die größte Eiche Estlands, die 700 Jahre alte Tamme-Lauri-Eiche in der Gemeinde Urvaste, die auch auf der 10-Kronen-Banknote des neuen unabhängigen Estlands abgebildet war und von der man glaubt, dass sie die Heimat des lebenden Feuergottes Lauritsha ist
  • die Eiche Tülivere in der Nähe von Kuusalu mit ihrer markanten Höhle, der man nachsagt, zerstrittene Paare versöhnen zu können, wenn sie dort eine Nacht verbringen
  • der älteste Wacholder Estlands, ein 300 Jahre alter Baum in Kernu, der inzwischen abgestorben ist, aber immer noch wie eine Skulptur dort steht, mit einem stolzen, verdrehten Stamm
  • die einzige Eiche der Welt inmitten eines Fußballstadions, der Europäische Baum des Jahres 2015 in Orissaare auf der Insel Saaremaa.



Estland hat gerade einmal 1,3 Millionen Einwohner und ist sogar größer als Dänemark oder Holland

Foto: Kristjan Lust, Visit Estonia

Estland gehört zu den am dünnsten besiedelten Ländern Europas und ist daher für diejenigen, die sich einfach ausruhen möchten und Ruhe und Frieden suchen, ein großartiges Reiseziel – sei es für eine Natur- oder Städtereise.

Eine Offenbarung ist auch der Straßenverkehr – zumindest, sobald man die Metropole Tallinn verlassen hat. Auf so mancher Straße ist man mit dem Auto lange Zeit mutterseelenalleine unterwegs. Und selbst auf wichtigen Verbindungen zwischen Städten ist man über die geringe Menge an Verkehr immer wieder überrascht. Herrlich!

Übrigens ist aus genau demselben Grund auch Fahrradfahren in Estland ein echtes Vergnügen!


In Estland gibt es mehr als 2000 Inseln

Foto: Toomas Tuul, Visit Estonia

Auch wenn die meisten der Inseln unbewohnt sind, ist Estland das einzige baltische Land mit einer breiten und tief verwurzelten Inselkultur. Die estnischen Inseln sind überwiegend ländlich geprägt, und bei einigen finden Sie Spuren der dortigen Wikinger sowie der traditionellen und mittelalterlichen Kultur.

In Estland ist das Leben ohnehin sehr entspannt. Aber auf den Inseln ticken die Uhren nochmals anders. Es sind einfach herrliche Umgebungen, um komplett zu entschleunigen und mal so richtig durchzuentspannen!


Seit 1869 werden alle fünf Jahre die landesweiten Sängerfeste durchgeführt, dann kommen Tausende zusammen und singen gemeinsam!

Foto: Kaarel Mikkin, Visit Estonia

Das estnische Sänger- und Tanzfest ist das Erkennungszeichen Estlands schlechthin und ein Grund, warum die Esten häufig als „singende Nation" bezeichnet werden. Da seine vereinigende Wirkung so einzigartig ist, wurde es sogar zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO ernannt.

Die Tradition der Sängerfeste ist mittlerweile mehr als 150 Jahre alt und hat viel mit der bewegten Geschichte des Landes, seiner ewigen Besetzung durch andere Mächte, der erstmaligen Erlangung der Unabhängigkeit 1918, deren Verlust und vor allem der Wiederherstellung dieser Unabhängigkeit anno 1991 zu tun. Es war nicht zuletzt die so genannte "Singende Revolution", die es den Esten endlich ermöglichte, in einer eigenständigen Republik selbstverantwortlich und nach eigenem Gusto zu leben. Sie hatten ihr Freiheitsbedürfnis und ihr Selbstvertrauen über Jahrzehnte in den gemeinsamen Liedern am Leben erhalten.


Estland ist eines der am wenigsten religiösen Länder der Welt

Foto: Toomas Tuul, Visit Estonia

Obwohl Estland eine ganze Fülle alter Kirchen besitzt, bekennen sich nur etwa ein Viertel seiner Einwohner zu einer bestimmten Religion; und die meisten hiervon sind Lutheraner.

Allerdings findet man in Estland trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ein weit verbreitetes spirituelles Bewusstsein. Die Menschen sind sehr naturverbunden, und diese Verbundenheit geht über rein rationalen Naturschutz und Naturgenuss hinaus. Die alte Volksweisheit wird nach wie vor tradiert und spielt heute beispielsweise beim Sammeln von Zweigen für die so genannten Sauna-Quirle, in überlieferten medizinischen Hausmitteln, beim Begehen von Feiertagen (beispielsweise beim beliebtesten Feiertag der Esten, Jaanipäev, dem Johanni-Tag zur Mittsommerzeit), aber auch in zahlreichen alltäglichen Mythen und Legenden eine Rolle.


Estland ist eine digitale Gesellschaft

Foto: Kaarel Mikkin, Visit Estonia

Ob über das Internet wählen oder Unterlagen unterzeichnen – in Estland wird alles dafür getan, dass man seinen Alltag ohne großen administrativen Aufwand bewältigen kann. Das bedeutet weniger Bürokratie, und Bereiche wie das Gesundheitswesen oder der Bildungssektor werden transparenter und effizienter.

Estland hat 1,3 Millionen Einwohner, von denen fast alle einen chipfähigen Personalausweis besitzen. Dieser Ausweis ist der Schlüssel zu einer Vielzahl von elektronischen Diensten, z. B. zur Unterzeichnung von Dokumenten, zur Gründung eines Unternehmens und sogar zur Online-Wahl.

Ausländer können auch die estnische "E-Staatsbürgerschaft" (E-Residency) erwerben. Die elektronische Bürgerkarte gibt nicht Zugang zu allen Rechten, aber ihre Existenz ermöglicht es beispielsweise, ein in Estland registriertes Unternehmen zu gründen und in einem digitalen Geschäftsumfeld zu arbeiten. Sie kann auch in vielen verschiedenen Geschäften und Dienstleistungen anstelle einer separaten Kundenkarte verwendet werden.

E-Government in Zahlen:

91,6 % der Einwohner nutzen regelmäßig das Internet
90 % der Haushalte haben einen Breitbandanschluss
87 % der Haushalte haben einen Computer
99,6 % der Bankgeschäfte werden elektronisch abgewickelt
98 % der Einwohner reichen ihre Steuererklärung elektronisch ein
95 % der Gesundheitsakten sind digital
99 % der ausgestellten Arzt-Rezepte sind elektronische Verschreibungen


Die Esten lieben gutes Essen

Es gibt zahlreiche ausgezeichnete Restaurants im Land

Ein Sommertag im Restaurant Alexander, im Herrenhaus Pädaste auf der Insel Muhu

Foto: Kaarel Mikkin, Visit Estonia

Die Küche Estlands hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Man besann sich auf die Traditionen – wie beispielsweise die jahrhundertealte Brotkultur, die das Land mit Deutschland gemeinsam hat und auf das einzigartige dunkle estnische Roggenbrot, das must leib, das mittlerweile wieder überall im Land zu bekommen ist.

Am Wichtigsten ist den Esten dasjenige, was bei uns auch allmählich ins Bewusstsein rückt: die Verwendung möglichst naturbelassener, frischer und regionaler – wenn nicht gar: lokaler – Zutaten.

Außerdem gibt es mittlerweile eine ganze Armada junger, gut ausgebildeter und sehr ambitionierter Köchinnen und Köche, die die Gastronomieszene in sehr erfrischender Art aufgewirbelt haben. Zahlreiche Restaurants quer durchs Land (und auf den Inseln!) werden im White Guide Nordic, der nordeuropäischen Gastronomie-Bibel, gelistet – und Jahr für Jahr werden es mehr.

Die gastronomische Profiküche kann man in den Trend der "neuen nordischen Küche" einreihen, aber sie ist und bleibt dabei doch eigenständig, weil sie estnische Essenstraditionen und Gerichte an die Basis ihrer phantasievollen Kreationen stellt.

Für Gourmets ist Estland jedenfalls eine lohnende kulinarische Entdeckung!



Zuletzt aktualisiert: 23.02.2024