Das mittelalterliche Estland und die Hanse

Quelle: Rene Altrov, Visit Estonia

Das mittelalterliche Estland und die Hanse

Die Hanse prägte über 400 Jahre lang Handel und Politik im Nord- und Ostseeraum. Sie machte Estland zu einem begehrten Territorium und zu einem Schlachtfeld für die benachbarten Königreiche. Noch heute können Besucher in Tallinn, Tartu, Viljandi und Pärnu das Erbe dieser mittelalterlichen Handelsroute erkunden..

Was war die Hanse?

Im Mittelalter gab es drei Gesellschaftsschichten: Adel, Priester und Bauern. Der Adel besteuerte die Bauern, zu denen auch Kaufleute und Handwerker gehörten. Einzeln wären sie nicht in der Lage gewesen, sich gegen die Adligen aufzulehnen, aber gemeinsam hatten sie die Möglichkeit, sich gegen die übermäßige Besteuerung zu wehren. Kaufleute und Handwerker schlossen sich zu Zünften zusammen - im Grunde eine mittelalterliche Gewerkschaft.

Die Altstadt von Tallinn

Die roten Ziegeldächer sind charakteristisch. Hier findet sich Mittelalter auf Schritt und Tritt.

Foto: Kaupo Kalda, Visit Estonia

Diese Zünfte, auch Hanse genannt, schlossen sich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zusammen. Beginnend mit den norddeutschen Städten Lübeck und Hamburg gewann der lose Bund allmählich an Größe und Einfluss, bis er im Jahr 1356 offiziell begründet wurde. Durch die Vereinbarung, zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig mit eigenen Armeen zur Verteidigung zu unterstützen, konnten die Kaufleute der Hansestädte eine enorme wirtschaftliche Macht aufbauen und ausüben. Immer mehr Städte schlossen sich an, und schließlich hatte die Hanse zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert fast ein Monopol auf den gesamten Handel in der Nord- und Ostsee.

Die Hanse breitete sich von den Niederlanden im Westen bis nach Russland im Osten und von Estland im Norden bis ins polnische Krakau im Süden aus. Rohstoffe wie Holz, Pelze, Honig, Flachs, Fisch und Harz wurden von Osten nach Westen transportiert, während Stoffe und Manufakturwaren die entgegengesetzte Richtung nahmen.

Die Hanse in Estland

Vier Städte in Estland waren einst Teil des Hansebundes: Tallinn, Tartu, Pärnu und Viljandi. Von den vier Städten hat die Altstadt von Tallinn die am besten erhaltene mittelalterliche Architektur, und hier sollten Sie mit Besichtigung und Erkundung beginnen, wenn Sie mehr über den Einfluss der Hanse in Estland erfahren möchten.

Tallinn

Die große Gildehalle
Dieses mittelalterliche Gebäude wurde im Jahr 1410 fertiggestellt. Es beherbergt eine Zweigstelle des Estnischen Geschichtsmuseums, in der Sie mehr über die Große Gilde und die Geschichte des Handels in Estland erfahren können.

Das Rathaus und der Rathausplatz
Das Rathaus ist eines der ikonischsten mittelalterlichen Gebäude Tallinns. Es ist das älteste Rathaus in Nordeuropa. Auf dem Rathausplatz finden das ganze Jahr über verschiedene Veranstaltungen statt, darunter der berühmte Weihnachtsmarkt von Tallinn. Sie können auch die Ratsapotheke auf der anderen Seite des Platzes besuchen. Sie wurde erstmals 1422 erwähnt und ist die am längsten ununterbrochen betriebene Apotheke Europas.

Das Museum der Festungsanlagen Kiek in de Kök
Erfahren Sie mehr über die Militärgeschichte Tallinns, als die Stadt noch Reval hieß. Der mittelalterliche Turm bietet einen Panoramablick über die Stadt, und Sie können auch die unterirdischen Gänge der Bastion besichtigen.

Das Schifffahrtsmuseum in der „Dicken Margarethe"
Dieses faszinierende Museum befindet sich in einem auffälligen Turm – der „Dicke Margarethe" genannt wird – neben dem Großen Küstentor, einem der beiden noch erhaltenen Tore zur mittelalterlichen Altstadt. Das Highlight der 2019 renovierten Museumsausstellung ist eine Kogge aus dem 14. Das mittelalterliche Segelschiff wurde für den Handel zwischen den Hansestädten genutzt.

Rathaus und Rathausplatz in der Tallinner Altstadt

Weihnachten ist ein ziemlich guter Zeitpunkt, um das mittelalterliche Flair Tallinns zu erleben.

Foto: Sergei Zjuganov, Visit Estonia

Tartu

Der Domberg
Dieser Hügel liegt im Herzen des mittelalterlichen Tartu. Die ehemalige Bischofsburg wurde dort 1234 erbaut, aber während des Livländischen Krieges Ende des 15. Jahrhunderts beschädigt und schließlich nach dem Großen Nordischen Krieg Anfang des 17. zerstört. Heute ist der Hügel ein öffentlicher Park, und von der Burg ist nichts mehr übrig.

Die St. Johannes-Kirche
Diese Kirche wurde 1323 zum ersten Mal erwähnt. Die Fassade ist mit über 2.000 Terrakottafiguren aus dem 14. Jahrhundert geschmückt. Die Originale befinden sich in nahe gelegenen Museen, während die Kirche heute exakte Nachbildungen schmücken. Wie die Bischofsburg wurde auch sie während des Großen Nordischen Krieges Anfang des 17. Jahrhunderts zerstört. Sie wurde anschließend zwar wieder aufgebaut, aber ein Feuer, das durch die Kämpfe zwischen russischen und deutschen Truppen im Jahr 1944 verursacht wurde, zerstörte erneut einen Großteil des Gebäudes.

Die Kathedrale und das Universitätsmuseum
Die Kathedrale von Tartu ist die einzige mittelalterliche Kirche mit zwei Türmen in Estland. Der Bau begann im 13. Jahrhundert und wurde im 16. Jahrhundert fertig gestellt. Sie wurde jedoch während des Livländischen Krieges zerstört und ist seitdem nicht mehr als Kirche in Betrieb. In der Kirche ist das Museum der Universität Tartu untergebracht, und Besucher können die Türme besteigen, um einen Blick auf die Stadt zu werfen.

Der Jõmmu-Kahn
Dieses Holzschiff wurde als Nachbildung der Segelschiffe gebaut, die zur Zeit der Hanse auf den estnischen Wasserstraßen unterwegs waren. Die Jõmmu verkehrt von Anfang April bis Ende November auf dem Fluss Emajõgi, dem Peipus-See und dem Võrtsjärv-See.

Das Estnische Nationalmuseum
Für Geschichtsinteressierte ist das estnische Nationalmuseum ein Muss. Es behandelt die Geschichte Estlands von der Steinzeit bis zur Neuzeit. Neben der faszinierenden Dauerausstellung gibt es wechselnde Sonderausstellungen zu einer Vielzahl von Themen. Auch unter architektonischen Gesichtspunkten ist das Gebäude sehenswert..

Die Ruinen der ehemaligen Kathedrale in Tartu

Die Türme können bestiegen werden und gewähren einen schönen Rundblick über die Stadt.

Foto: Mariann Liimal, Visit Estonia

Viljandi

Die Ruinen der Burg Viljandi
Von der einstigen Residenz des Livländischen Ordens sind zwar nur noch Ruinen übrig, aber man kann sich die Burg in ihrer ganzen Pracht gut vorstellen. Von hier aus hatte man den perfekten Überblick über das gesamte Umland. Heutzutage werden die Ruinen und der umliegende Park häufig für Open Air-Veranstaltungen genutzt.

Überreste der Stadtmauer
Seit Anfang des 14. Jahrhunderts war Viljandi von vier Meter hohen und zwei Meter dicken Mauern umgeben. Einige Mauerreste sind noch an ihrem ursprünglichen Standort erhalten.

Die St. Johannes-Kirche
Diese Kirche wurde um 1600 auf den Ruinen eines Franziskanerklosters erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zu einem Lagerhaus und wird heute als Konzertsaal genutzt.

Die Ruinen der Ordensburg in Viljandi

Foto: Rivo Veber, Visit Estonia

Pärnu

Diese kleine Stadt an der Mündung des gleichnamigen Flusses ist vor allem als Sommerurlaubsort bekannt, obwohl sie früher eine wichtige Handelsstadt an der Hanseroute war. Leider wurde der größte Teil der mittelalterlichen Stadt im Laufe der Jahre durch eine Reihe von Bränden zerstört. Der Rote Turm, ein Gefängnisturm aus dem 15. Jahrhundert, ist noch erhalten. Heute beherbergt er ein Panoramakino und eine Ausstellung über die mittelalterliche Geschichte von Pärnu.

Feierlichkeiten zu den Hansetagen

Jeden Sommer erinnern die vier Städte an ihr hanseatisches Erbe, indem sie sich für ein paar Tage in einen mittelalterlichen Jahrmarkt verwandeln. Händler bieten Speisen und Kunsthandwerk an, und es gibt ein umfangreiches Programm mit Musik und Tanz.

Die Daten 2023

  • Tallinn, Mittelaltertage: 6. bis 9. Juli
  • Tartu, Hansetage: 8. und 9. Juli
  • Viljandi, Hansetage: 3. und 4. Juni
  • Pärnu, Hansetage: 30. Juni bis 2. Juli

Viel Spaß bei den Hansetagen!

Schnappen Sie sich Ihr schönstes mittelalterliches Gewand und nehmen Sie an den Feierlichkeiten teil!

Foto: Jaan Männik, Visit Viljandi


Zuletzt aktualisiert: 01.08.2023

Thema: Tallinn, Südestland, Westestland, Geschichte & Kultur