Blüten, Bäche, Schneeschmelze: Frühlingsfreude in Estland

Quelle: Andri Peetso

01.03.2023

Eierfärben, der Brunch am Ostersonntag und die Eiersuche sind auch in Estland fest mit dem Osterfest verbunden. Zugleich wird mit ihm der Frühling begrüßt: Mit alten Traditionen erfreut man sich am neuen Leben und Blühen in der Natur. Denn die spielt im Frühjahr eine Hauptrolle. Ob man mit dem Kanu durch von Schmelzwasser geflutete Landschaften gleitet oder sich beim - in Estland erfundenen - "Kiiking" mit der Schaukel überschlägt - die Lebensfreude steigt mit jeder Minute gewonnenen Tageslichts.

Eierknacken und Tipps für die Partnerwahl
Ostereier färbt man gerne auf natürliche Art mit roten Zwiebelschalen oder dem Saft Roter Bete. Sie werden für den traditionellen Eier-Knack-Wettkampf benötigt, bei dem die Teilnehmer ihre Ostereier gegeneinander tippen. Champion wird, wer alle Begegnungen übersteht, ohne dass die Schale des eigenen Hühnerprodukts Schaden nimmt. Vor diesen Vergnügungen liegen die Fastenzeit - und Arbeit, denn traditionell ist die Karwoche für den Frühjahrsputz reserviert. Auch das Wetter ist laut einer Bauernregel bedeutsam: Fällt die Karwoche regnerisch aus, folgt ein nasser Sommer, vorösterlicher Nebel lässt Hitze erwarten. Am Ostersonntag beschenkt man einander seit jeher mit Ostereiern. Junge Leute trafen sich einst an der Dorfschaukel, wo Mädchen jungen Männern Ostereier anboten. Deren Farbwahl wurde aufmerksam beobachtet: Wer Blau wählte, galt als treu, Grau stand für Besonnenheit und Gelb für Falschheit.

Magie der Osternacht und Wettrollen der Ostereier
Die historische Landschaft Setumaa im Südosten Estlands ist berühmt für die Sprache, Musik, Handwerkskunst und die ungewöhnlichen Bräuche ihrer Bewohner, der Seto. Bei Kirchenfesten folgen sie noch heute dem Julianischen Kalender, so dass ihre Feiertage dreizehn Tage später als im übrigen Land stattfinden. Ostern hingegen wird mal zeitgleich, mal mit mehreren Wochen Abstand gefeiert - in diesem Jahr am 24. April. Geradezu magisch ist die Osternacht, wenn die Menschen in der dunklen Kirche mit Kerzen Nachtwache halten. Den Festtag selbst prägen Musik und das traditionelle Ostereier-Knacken, wobei man hier die Ostereier über eine Rampe in eine Sandkuhle rollen lässt und mit ihnen andere zu touchieren versucht. Das farbenfrohe Spiel lockt zahlreiche Teilnehmer und Zuschauer an. Die loomka genannten Rampen werden in den Dörfern Obinitsa und Värska, aber auch in anderen Orten in Setumaa angelegt. 

Voller Freude in den Frühlingshimmel fliegen
Wer den Frühling im Flug begrüßen möchte, ist reif für Kiiking. Ziel dieses außergewöhnlichen Sports ist es, sich mit einer Schaukel zu überschlagen - Garant für erhöhte Adrenalinzufuhr und Freudenschreie in der Frühlingsluft. 1993 konstruierte Ado Kosk aus Pärnu die in der Höhe verstellbare Kiiking-Schaukel und begründete damit eine ganz neue sportliche Disziplin. Körperkontrolle, Kraft und die Überwindung der eigenen Angst zugunsten eines Glückmoments stehen im Mittelpunkt. Tatsächlich bedeutet das Schaukeln mit Überschlag keine Gefahr, denn Hände und Füße werden sicher befestigt. Dennoch widerstrebt dem Menschen die Vorstellung, mit dem Kopf nach unten durch die Luft zu schweben. Weil mentale Stärke und Technik eine große Rolle spielen, sind zierliche Frauen nicht selten erfolgreicher beim Überschlag als kräftige Männer. Kiiking-Schaukeln sind in vielen Regionen des Landes zu finden.

Per Kanu durch Wald und Wiesen gleiten
Wenn der Schnee schmilzt, treten Flüsse und Bäche über ihre Ufer und verwandeln die Sumpfgebiete des Soomaa-Nationalparks in eine faszinierende Wasserlandschaft. Sie ist so eindrucksvoll, dass die Frühjahrsflut als Estlands fünfte Jahreszeit bezeichnet wird. Weil in den Lauf der Flüsse Halliste und Raudna nie eingegriffen und hier nur traditionelle Landwirtschaft betrieben wurde, besitzen ihre bewaldeten Uferwiesen eine hohe Biodiversität. Am besten lässt sich das Frühlingserwachen der Natur hier bei einer Kanu-Tour erleben. Nahezu geräuschlos gleiten die Boote durch Wald und Sumpf, so dass sich Biber und zahlreiche Vogelarten beobachten lassen. Am höchsten steht die Frühjahrsflut Ende März und Anfang April. Genießen kann sie jeder: Der vom Besucherzentrum des Nationalparks ausgehende Biberpfad macht die Landschaft für Fußgänger, Rollstuhlfahrer und Familien mit Kinderwagen zugänglich.

Fit mit Rhabarber, Giersch und Schlüsselblume
Mit dem Frühling beginnt die Saison frei verfügbarer Fitmacher aus Estlands reicher Natur. Im Mai und Juni blüht die Schlüsselblume, für die es im Estnischen mehr als 200 Bezeichnungen gibt. Schon eines ihrer Blätter deckt den Tagesbedarf an Vitamin C, zudem soll sie entschlackend wirken, die Zellerneuerung befördern, Kopfschmerz und Husten lindern sowie beruhigend wirken - perfekt für einen Tee, während die Blüte eine gesunde Zierde für den Salat ist. Der Sommer bringt Rhabarber. Er besitzt nicht nur intensive Aromen, sondern steckt auch voller Vitamine und besteht dazu zu 93 Prozent aus Wasser - ein gesunder Schlankmacher. Und während Hobbygärtner anderswo Giersch bekämpfen, wird die krautige Pflanze mit weißen Blütendächern in Estland aufgrund ihrer heilenden Eigenschaften bei Entzündungen geschätzt - aber auch in Suppen und Salaten sowie im Süden des Landes in Brot und Scones.

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